Spätestens seit sich das brasilianischen Model Luana Sandien (28) auf ihrem Instagram-Kanal als „autosexuell“ geoutet hat, geht der Begriff viral. Doch was ist Autosexualität und was bedeutet es für das Sex- und Liebesleben, wenn man autosexuell ist? Hier gibt’s die Erklärung.
Was ist die Definition von „autosexuell”?
Autosexuell zu sein, bedeutet, dass man romantische und sexuelle Gefühle für sich selbst empfindet und der eigene Anblick einen erregt. Autosexuelle Menschen stehen selbst im Zentrum ihrer Lust und brauchen für ihre sexuelle Erfüllung keinen Partner. Sie lieben sich selbst, und diese Liebe geht über ein positives Gefühl vor dem Spiegel hinaus. Für ein erfülltes Sex- und Liebesleben brauchen autosexuelle Personen per Definition keine anderen Menschen.
Dr. Heinz-Jürgen Voss, Professor für Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg, definiert Autosexualität bei Welt.de auch über Selbstbefriedigung: „Autosexualität ist ein weit gefasster Begriff, der sexuelle Handlungen an und mit sich selbst bezeichnet. Es geht also um Selbstbefriedigung.“
Haben Autosexuelle nur Sex mit sich selbst?
Die renommierte Sexualtherapeutin Casey Tanner beschreibt die Bedeutung von Autosexualität im Online-Kurier als einen Wesenszug, bei dem man sich von der eigenen Erotik angezogen fühlt: „Generell fühlen wir uns sexueller und angeregter, wenn wir spüren, dass wir selbst sexy sind. Wenn es dich je angeturnt hat, dich unabhängig von einer anderen Person sexy zu fühlen, dann ist das Autosexualität und total normal.“
Dabei ist laut Tanner Selbstbefriedigung nicht die einzige Form der Auto-Erotik: „Autosexualität kann über das Sexualverhalten hinausgehen und einfach bedeuten, dass man ein Verlangen nach einem selbst verspürt. Es kann auch die Fähigkeit sein, sich selbst zu erregen, indem man sich ansieht, berührt oder riecht.“
Autosexuell zu sein, bedeutet aber nicht, nie einen Partner zu haben oder auf Beziehungen zu verzichten. Auch autosexuelle Menschen empfinden intime Gefühle für andere Menschen und leben in Partnerschaften – dabei stehen sie allerdings im Mittelpunkt ihrer Erregung.
Autosexualität: Narzissmus oder Selbstliebe?
Bei all der Selbstliebe könnte man Autosexualität schlicht als Narzissmus abstempeln. Aber anders als Narzissten führen autosexuelle Menschen freundschaftliche oder partnerschaftliche Beziehungen mit anderen Personen, die weder manipulativ noch toxisch sind. Ihr Leben dreht sich nicht nur um sie selbst und sie leben ein normales, soziales Leben.
Sich auf sich selbst zu fokussieren, heißt nicht, narzisstisch zu sein. Sich selbst „genug zu sein“, besonders im Bett, ist schlicht eine Form der Selbstliebe, die über das gewohnte Maß hinausgeht. Laut Casey Tanner tragen die meisten Menschen autosexuelle Tendenzen in sich – ohne egoistisch oder narzisstisch zu sein!
Autosexuelle Menschen und Beziehungen mit anderen Personen
Immer wieder outen sich prominente Frauen wie It-Girl und Unternehmerin Kourtney Kardashian (41), Top-Model Adriana Lima (40) und das brasilianische Playmate Cris Galêra (33) als „autosexual“. Autosexualität und die Liebe zu sich selbst sind aber kein brandneues Phänomen, das aus einem Protest emanzipierter Frauen heraus entstand, sondern existiert schon lange.
Reine Autosexualität gibt es eher selten. Die meisten autosexuellen Menschen haben Beziehungen oder Ehen hinter sich und/oder sogar Kinder, wie Luana Sandien und Kourtney Kardashian. Oft kann Autosexualität und besonders Sologamie, also sich selbst zu heiraten, als symbolisch verstanden werden. Cris Galêra machte es vor und hat sich selbst das Ja-Wort gegeben. Wer sich selbst am meisten liebt oder sogar heiratet, ist ganz und gar bei sich selbst angekommen und braucht keinen anderen Menschen für die eigene Erfüllung.
Sich selbst vollkommen auszureichen und allein ein erfülltes (Sex)leben zu haben, bedeutet nicht, dass andere Menschen oder Liebespartner keinen Platz darin haben. Autosexuelle Menschen begeben sich dazu nur nicht in eine emotionale Abhängigkeit.
Sind nur Frauen autosexuell?
Während sexuelle Orientierung und Selbstbestimmung vor einigen Jahren noch Tabus waren, sind sie heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Aber warum gibt es vermeintlich mehr autosexuelle Frauen als Männer?
Ganz einfach: Männer werden auch im 21. Jahrhundert über klassische Rollenbilder definiert. Unabhängigkeit, Selbstliebe und Erfolg gelten als ultimativ männlich – ganz selbstverständlich. Heinz-Jürgen Voss bringt das auf den Punkt: „Es fällt schlicht nicht auf, wenn ein Mann auf sich fokussiert ist und im Beruf vorankommen will. Wenn hingegen eine Frau erklärt, dass sie ohne einen Partner auskommt, sorgt das für einen Aufschrei.“
Dass sich immer mehr Frauen (und auch Männer!) aus den gängigen Rollenklischees befreien, ist kein Geheimnis und ein Trend, der in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen hat. „Autosexual“ zu sein, ist ein weiterer Ausdruck von Emanzipation und ein Schritt in Richtung geschlechtlicher identitärer Befreiung. Partnerschaften und Ehen könnten sich neu definieren, wenn sich beide Partner in den Fokus ihrer Lust und Liebe stellen und den anderen in ihre Fantasien mit sich selbst einbeziehen.
