Immer mehr Menschen, vor allem Frauen, finden gefälschte Erotikvideos und Nacktbilder von sich im Netz – sie kennen weder die Bilder noch ihre vermeintlichen Sex-Partner. Auf den ersten Blick wirken Deepfake-Pornos täuschend echt. Dank moderner Face Swap Apps lassen sich in wenigen Klicks harmlose Fotos und Videos in erotischen Content umwandeln. Betroffen sind nicht nur Politikerinnen, Schauspielerinnen und Influencerinnen, sondern auch „normale” Frauen. Plötzlich werden aus x-beliebigen Bildern bei Instagram und Co. Hardcore-Pornos.
Was sind Deepfake-Pornos?
Porno-Deepfakes sind nicht-einvernehmlich bearbeitete Erotik-Videos und -Bilder, die via Face Swap App entstehen. Dahinter steckt eine KI (künstliche Intelligenz), genauer ML (Machine Learning). Deepfake ist eine Kombination aus Deep Learning und Fake (Fälschung). Während diese Systeme früher Katzen- von Hundefotos auseinanderhalten konnten, erstellen ML-Algorithmen heute Gemälde und politische Reden inklusive Lippenbewegungen – oder fälschen als Deepfake-Porno-Generatoren Sex-Videos und Nacktbilder.
Face Swap Apps übernehmen heute den komplizierten Teil der Bild- und Videobearbeitung, für die man noch vor einigen Jahren professionelles Know-how brauchte. Das Problem an Deepfake Porns ist das fehlende Einverständnis. Gefälschte Pornos gegen den Willen und / oder das Wissen eines Menschen online zu stellen, ist eine Form von digitaler Gewalt.
Fake Apps wie Facemagic, Reface oder Faceover, die heftig in der Kritik stehen, machen es möglich, dass jeder das Gesicht einer beliebigen Person in Filmaufnahmen montieren kann – täuschend echt dank immer besserer Technologien.
So erkennt man Face-Swap-Pornos
Es ist gar nicht einfach, Deepfakes auf den ersten Blick zu erkennen. Logisch, denn sie sollen möglichst real aussehen. Diese Indizien sprechen dafür, dass der Porno oder die Nudes gefaket sind:
Fehler in der Logik: Durch den automatischen Algorithmus kann es sein, dass die Deepfake-XXX-Clips und -Fotos Logikfehler haben. Unstimmige Elemente lassen sich auch mit ungeübten Augen erkennen.
Passt der Kontext?: Am besten hinterfragt man den Kontext im Porno-Video. Angela Merkel wird wahrscheinlich kein Sextape von sich veröffentlicht haben und auch bei anderen Personen des öffentlichen Lebens sollte man die neue Porno-Karriere hinterfragen.
Unscharfe Stellen: Sequenzen, die zu scharf oder unscharf wirken oder ein unstimmiger Hintergrund, sind ein Anzeichen von Deepfakes. Stimmen Helligkeit, Sättigung oder Schärfe nicht mit dem Vordergrund überein, wurde manipuliert.
Tools nutzen: Mit verschiedenen Werkzeugen wie dem kostenlosen Deepfake-o-Meter lassen sich Videos und Bilder auf ihre Echtheit prüfen.
Rache, Mobbing und Sexfantasien: Die Motivation hinter Deepfake Porn
KI-Experte Henry Ajder sagt im Interview mit Vollbild, dass die Zahl der im Netz kursierenden Deepfake Porns stark gestiegen ist. Während 2018 noch 140.000 Fake-Medien gezählt wurden, sind es heute laut dem Experten wahrscheinlich Milliarden: „Wir sprechen im Zusammenhang mit dem Missbrauch von Bildern über Millionen von Frauen, die jetzt ins Visier genommen werden.” Die Technologie explodiert und damit auch die illegale Verwendung.
Was bewegt Täter dazu, Sex-Videos ohne das Einverständnis einer Person zu fälschen? Die Vollbild-Recherche zeigt, dass es besonders männlichen Fakern um die Befriedigung ihrer sexuellen Fantasien geht. In speziellen Foren erstellen sie teilweise kostenlos Deepfake-Pornofilme mit dem eingesendeten Material anderer User.
Einigen Männern geht es um die Erniedrigung und das Bloßstellen von Frauen in ihrem Umfeld. Gefälschte Pornos und Fotos sind ein Druck- oder Rache-Mittel in Beziehungskonflikten oder nach Trennungen. Deepfakes sind eine Machtdemonstration, die mit Erpressung und Bedrohung zusammen passiert.
Das sagen Opfer von gefakten Sex-Videos
Influencerin und Schmuck-Designerin Mrs Bella ist eine von vielen prominenten Frauen, die Opfer von gefakten Sex-Clips und -Bildern geworden sind. Im Interview mit Vollbild sagt sie, wie geschockt sie von den Aufnahmen war: „Die sieht aus wie ich, aber das bin ich nicht. Ich habe solche Fotos nicht. ” Opfer können vor dem Chef oder im privaten Umfeld nicht beweisen, dass sie das nicht sind. Niemand weiß zudem, ob die Bilder am Ende gelöscht werden oder nicht.
Josephine Ballon, Rechtsanwältin und Head of Legal bei der gemeinnützigen Organisation „HateAid“ weiß, dass wenn die Bilder erst einmal online sind, sie schnell geteilt werden: „Selbst, wenn man vielleicht eine Löschung erzielen konnte, teilen es andere vielleicht einfach weiter auf anderen Plattformen, haben es sich sogar gespeichert, um es später nochmal zu posten. Das kann für Betroffene bedeuten, dass sie ein Leben lang nach ihren Bildern suchen und für die Löschung sorgen müssen.“ Darum hat die Organisation eine Petition gestartet, um gegen Porno-Manipulation und Face Swap Apps vorzugehen.
Die britische Buchautorin, Aktivistin und „#NotYourPorn”-Gründerin Kate Isaacs ist selbst Opfer von Deepfakes geworden. Sie bestätigt gegenüber Vollbild, dass „wir alle Freiwild sind” und es jeden treffen kann. Für sie ist Deepfaking in Pornos eine Form von sexueller Gewalt und zusätzliche Ebene eines Traumas.
Wie kann man sich vor Deepfake Nudes und Pornos schützen?
Die Verbreitung von Nacktaufnahmen im Netz gilt in Deutschland immer noch als Bagatelldelikt. Das bedeutet, es handelt sich bei Deepfake-Pornos lediglich um Beleidigung, Verleumdung oder Rechtsverletzung am eigenen Bild – strafrechtlich wird das nicht ausreichend verfolgt.
Rechtsanwalt Christian Solmecke äußert gegenüber wbs.legal, dass Deepfakes in Deutschland gegen das Grundgesetz und das Strafgesetzbuch verstoßen, weil regelmäßig das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Grundgesetz (GG) verletzt wird.
Eine Anzeige lohnt sich laut Solmecke, wie eine Klage einer betroffenen Frau gegen ihren Ex-Freund zeigt: „Strafrechtlich kann man zudem den Ex-Freund wegen Beleidigung, Verleumdung oder übler Nachrede (§§ 185 – 187 Strafgesetzbuch, StGB) sowie wegen des Verstoßes gegen § 33 KunstUrhG anzeigen.”