Auch Menschen mit Behinderung haben Bedürfnisse nach Nähe, Körperlichkeit und Sex. Eine ehemalige Krankenschwester berichtet von ihrem Wechsel in die Prostitution – den Patienten zuliebe.
57-Jährige wechselte vor acht Jahren ins Rotlicht-Milieu
In Amsterdam ist bekanntlich alles möglich. Europas sympathische Cannabis- und Rotlichtmetropole ist bekannt für liberale Werte und das frohe Leben. Das gilt für alle Menschen, auch die mit körperlicher und geistiger Behinderung. Zumindest, wenn es nach der Prostituierten Karin ginge. Denn die richtet ihre Dienstleistungen explizit an solche Menschen.
Im Interview mit businessinsider.de erklärt die ehemalige Krankenschwester, dass sie im Privatleben einen anderen Namen habe, sich anders kleide und ihren Bekannten immer noch erzähle, dass sie Krankenschwester sei.
„Man muss vorsichtig sein, wem man es erzählt. Ich bin nicht auf Facebook, ich will nicht, dass mein Bild oder mein richtiger Name dort veröffentlicht werden. Ich bin auch nicht auf Twitter oder Instagram“, erklärt die heute 57-Jährige. Selbst in Amsterdam gäbe es noch immer Vorbehalte gegen die Sexarbeit.
Sexarbeit und Krankenpflege unterscheide sich kaum
Dabei ähneln sich ihre beiden Berufe sehr: In beiden Berufen sei das Ziel, dass es den Menschen gut ginge – und man müsse die Arbeit am Ende des Tages einfach abstreifen und hinter sich lassen können.
Allerdings konnte sie als Krankenschwester gewisse Bedürfnisse nicht befriedigen, erklärt Karin: „Diese Menschen taten mir leid. Denn als Krankenschwester kann man ihnen nicht helfen, es sei denn, man will seinen Job verlieren.“
Die Lösung kam vor acht Jahren: Mit stolzen 49 Jahren wechselte die Krankenschwester ins Rotlichtmilieu und heuerte bei einer Agentur an, die sich speziell um die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung kümmert. 140 Euro kosten ihre Dienste dort pro Stunde, dafür sind alle Prostituierten im Umgang mit Behinderungen geschult.
Mehr Raum für sexuelle Bedürfnisse von Behinderten
Rund zwei Drittel der Entlohnung verbleiben bei den spezialisierten Prostituierten, den Rest behält die Agentur. Obwohl Krankenschwestern in den Niederlanden im internationalen Vergleich überdurchschnittlich gut verdienen, ist das sicher ein attraktiver Lohn.
Außerdem plant Karin Größeres: Derzeit läuft ein Antrag, damit sie auch einen Schaufensterplatz im Amsterdamer Rotlichtviertel einnehmen kann. Mit ihren 57 Jahren stellt sie sich außerdem noch eine durchweg erfolgreiche Zukunft vor. Irgendwann die älteste Prostituierte in Amsterdam zu sein? Warum nicht?
Krankenschwestern gehen irgendwann in Rente – aber für selbstständige Prostituierte mit einer solchen Nische findet sich ja vielleicht noch lange eine Nachfrage. Neben der direkten körperlichen Arbeit mit Menschen setzt sich Karin außerdem gegen die Stigmatisierung der Sexarbeit ein. Auch hier scheint die Arbeit noch lange nicht getan zu sein.