Prostitution wird in der EU rechtlich bislang völlig unterschiedliche behandelt. Das EU-Parlament will die Regeln nun vereinheitlichen und spricht eine Empfehlung aus: Kunden von Prostituierten sollen bestraft werden. Doch Experten wehren sich gegen dieses „Nordische Modell“.
„Nordisches Modell“ als Empfehlung der EU
In Spanien findet sie in einer rechtlichen Grauzone statt, in Rumänien und Kroatien ist sie komplett verboten, in den Niederlanden oder Deutschland gibt es spezielle Auflagen: Prostitution wird überall in der EU anders geregelt.
Doch eine Empfehlung des EU-Parlaments spricht sich nun für ein einheitliches System in Anlehnung an die schwedischen Gesetze aus. In dem Land wird seit 1999 der Kunde von Prostituierten bestraft sowie derjenige, der die Räumlichkeiten für das Gewerbe bereitstellt. Die Anbieter gehen jedoch straffrei aus. Zusätzlich sollen Maßnahmen beim Ausstieg helfen und Aufklärungsarbeit durchgeführt werden.
Mit 234 Stimmen gegenüber 175 Gegenstimmen und 122 Enthaltungen hat das EU-Parlament letzte Woche eine Empfehlung für dieses „Nordische Modell“ ausgesprochen. Bindend ist es für die Mitgliedstaaten allerdings nicht.
Datenlage zum Effekt eines Prostitutionsverbots unklar
Leicht wird den 27 Mitgliedsstaaten die Entscheidung zur Änderung der Gesetze auch mit der Empfehlung nicht fallen. Laut einer Dokumentation des Deutschen Bundestags gibt es bisher wenig überzeugende Studien zu dem Thema. Schweden selbst behauptet zwar, dass Prostitution, Menschenhandel und Zuhälterei seit 1999 zurückgegangen sind und auch die Einstellung der Bevölkerung selbst kritischer gegenüber Prostitution geworden ist.
Andere Wissenschaftler bezweifeln allerdings die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse, da es nur wenige faktenbasierte Studien zu dem Thema gäbe. Einige merken auch an, dass das „Nordische Modell“ definitiv auch negative Seiten für Sexarbeiterinnen habe. Zwar werden diese nicht per Gesetz bestraft, doch durch die Verbote wird ihre Arbeit noch mehr stigmatisiert.
Auch wird von Wissenschaftlern angemerkt, dass es vielmehr auf die Art und Weise der Umsetzung der einzelnen Punkte ankäme als auf die Gesetzgebung. Prostitutionsgesetze müssten gesellschaftliche Umstände widerspiegeln und nicht einfach kopiert werden.
Menschenrechtsorganisationen widersprechen vehement
Zu der Empfehlung des EU-Parlaments haben mittlerweile zahlreiche Berufsverbände und Organisationen Stellung bezogen. Unter anderem hat die European Sex Workers Rights Alliance zusammen mit politischen Größen wie Amnesty International und Human Rights Watch schon im Vorfeld der Entscheidung einen offenen Brief verfasst.
Nach der Meinung der Experten für Menschen- und Frauenrechte ist der einzige Weg für bessere Bedingungen von Sexarbeiterinnen die Entkriminalisierung und Entstigmatisierung der Sexarbeit. Obwohl Prostituierte nach der Empfehlung nicht direkt bestraft würden, sinke durch die Kriminalisierung das Vertrauen in unterstützende Institutionen. Gerade Sexarbeiterinnen, die Gefahren von Gewalt oder Krankheit ausgesetzt sind, brauchen Vertrauen in Hilfsangebote.
Stattdessen empfehlen die Unterzeichner des Briefes, sich an Gesetzen wie dem belgischen Modell zu orientieren, welches Prostitution seit 2022 komplett entkriminalisiert. Auch der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen e.V. aus Deutschland erarbeitet aktuell ein Positionspapier gegen das „Nordische Modell“ und setzt dabei auf Empfehlungen von Experten wie der Deutschen-Aidshilfe oder der Diakonie.
EU-weite Änderung der Prostitutionsgesetze unwahrscheinlich
Dass die Empfehlung in einer Gesetzesnovelle in ganz Europa umgesetzt wird, ist ohnehin mehr als fragwürdig, in einigen Ländern wie Portugal scheint die Empfehlung nicht einmal mit der Verfassung vereinbar zu sein.
In Deutschland ist das Thema jedoch nicht vom Tisch. Dorothee Bär, Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, machte sich kürzlich erst in der Bild für ein Prostitutionsverbot stark. Deutschland habe sich zum „Bordell Europas“ entwickelt. Ihrer Meinung nach würde ein Verbot helfen, sie aus der Abhängigkeit von Kriminellen zu befreien.
Aber: Nach ihrer eigenen Aussage seien nur 10 Prozent der 250.000 Prostituierten tatsächlich angemeldet. Ohnehin scheint also ein großer Teil bereits unter illegalen Zuständen zu arbeiten. Durch ein Verbot würde sich für sie rechtlich also nichts ändern.