Das Porno- und Sexcam-Geschäft boomt in Osteuropa und besonders in Rumänien. Für hunderttausende junger Frauen ist die Arbeit vor der Kamera ein vielversprechender Weg aus der Armut. Warum das Erotikcam-Business so lukrativ erscheint und welche Gefahren es mit sich bringt, erläutern wir im Folgenden.
Wer zieht sich vor der Webcam aus?
Oana Horcea, die für das international bekannte Sex-Label „Best Studio“ tätig ist, weiß, welche Eigenschaften eine Frau mitbringen muss, die als Camgirl für Sexcam Seiten arbeiten möchte. Sie scoutet regelmäßig neue Frauen für Sex-Filme und Webcam-Projekte und berichtet in der arte-Dokumentation „Gesellschaftsphänomen Porncam”: „Ich suche nach jungen Frauen, die hübsch und schlank sind, die gute Manieren haben, sehr intelligent sind und auch Englisch sprechen.“
Gute Sprachkenntnisse sind für die Arbeit vor der Webcam enorm wichtig, denn die meisten Zuschauer und Kunden wohnen in den USA. Nicht umsonst gehört der Englischunterricht bei vielen Studios längst zum Pflichtprogramm.
Wie viel Geld verdienen osteuropäische Cam-Amateure?
Miruna Milu hat sich vor einiger Zeit im Sexcam-Geschäft selbstständig gemacht. Sie stellt erotische Fotos und Videos ins Netz, die Kunden online kaufen und ansehen können. Für sie ist die Tätigkeit als Erotik-Model ein äußerst gewinnbringendes Business. In einem Monat verdient sie rund 20.000 Euro. Zum Vergleich: das rumänische Durchschnittsgehalt beträgt gerade einmal 690 Euro pro Monat, der Mindestlohn liegt sogar nur bei 264 Euro.
Das Finanzielle war auch für Milu der ausschlaggebende Grund, um im Porno-Business Fuß zu fassen. So erzählt sie dem Arte Magazin: „Ich bin 24 Jahre alt, komme aus einem kleinen rumänischen Dorf und hatte insgesamt eine sehr schwierige Kindheit. In Bukarest hatte ich dann zwei Jobs gleichzeitig, aber der Verdienst war einfach zu niedrig, um davon leben zu können. So bin ich dann zum Videochat gekommen.“
Wie sieht der Arbeitsalltag eines Camgirls aus?
Der Arbeitstag eines Camgirls beginnt bereits sehr früh am Morgen. „Jetzt ist online gerade der meiste Verkehr, in Amerika sitzen die Kunden gerade vor dem Rechner. Wenn ich also erst später komme, verdiene ich nichts. Und umsonst werde ich hier nicht rumsitzen“, sagt Szandra, die seit drei Jahren als Erotik-Amateur vor der Webcam arbeitet.
Täglich verbringt sie rund vier bis acht Stunden online. Doch erst wenn sie von einem Kunden für eine private Sitzung gebucht wird, gibt es auch das ersehnte Geld. Dann tanzt sie nackt vor der Kamera, zeigt ihre Brüste oder benutzt Sexspielzeuge – je nach Kundenwunsch.
Über zu wenig Arbeit kann sich Szandra nicht beklagen: Bis zu 15 Mal pro Tag wird sie für eine private Session gebucht. Grundsätzlich gilt dann: Je länger die Cam-Show dauert, desto mehr Geld verdient sie. Eher schlecht fürs Geschäft sind Kunden, die schon nach wenigen Minuten zum Höhepunkt kommen.
Von Stammkunden und geheimen Fantasien
Viele Kunden, die ein Camgirl buchen, haben geheime sexuelle Fantasien, welche sie zu Hause mit der eigenen Ehefrau oder Freundin nicht ausleben können. Andere Männer suchen in erotischen Videochat-Portalen einfach nur jemandem zum Reden.
Perfect Lexy, die seit vier Jahren für den Chat-Anbieter LiveJasmin arbeitet, berichtet gegenüber dem Vice-Magazin: „Heute war ich den ganzen Tag angezogen. Ich hatte die ganze Zeit eine Privatsession mit einem meiner besten Stammkunden – ein Chinese, den ich seit mehr als einem Jahr auf der Seite ‚date‘.“
Acht Stunden lang hätten sie gechattet und sich ganz normal unterhalten. Außerdem hätten sie zusammen zu Mittag gegessen und sogar ein Nickerchen gemacht. „Wir haben so etwas wie eine Beziehung aufgebaut. Ich bin ihm wirklich wichtig. Er will, dass wir eine emotionale Verbindung haben“, erzählt Lexy weiter.
Gar nicht so selten käme es auch vor, dass sich Kunden in ihre Camgirls verlieben würden. In manchen Fällen müssten die Frauen das Verhältnis dann beenden. Aber Lexy weist auch auf andere Beispiele von Kolleginnen hin, die nun sogar mit ihren ehemaligen Kunden verheiratet sind oder glücklich zusammenleben.
Die Risiken des Sexcam-Geschäfts
Die Welt der Camerotik birgt besonders für junge Frauen viele Gefahren. Ciprian Ghituleasa, Sprecher der staatlichen Agentur gegen Menschenhandel, berichtet in der arte-Dokumentation: „Es gibt viele Methoden, um zukünftige Opfer zu zwingen. Ein Menschenhändler, der über Nacktfotos einer jungen Frau verfügt, kann diese erpressen. Er droht damit, die Fotos ihrer Familie zu zeigen. Das ist ein bekanntes Schema, um Frauen in die Prostitution zu drängen.“
Auch Camgirl Szandra weiß aus eigener Erfahrung: „Wer diesen Job zu lange macht, der hasst Menschen irgendwann. Lange möchte ich diesen Job daher nicht mehr machen. Höchstens drei Jahre noch. Du merkst einfach, wie dich das kaputt macht.“
Niemand außer ihrer Halbschwester und ihrem Freund darf wissen, dass sie ihr Geld mit virtueller Sexarbeit verdient. Eigentlich sollte die Arbeit auch nur eine Zwischenstation sein, um sich finanziell einige Zeit über Wasser zu halten. Sobald sich eine andere berufliche Alternative ergibt, würde sie sofort mit dem Cam-Geschäft aufhören – das hat sich Szandra geschworen.
Die Erotikcam-Industrie expandiert in Rumänien
Laut dem rumänischen Business-Magazin Economica soll die Sexcam-Industrie Rumäniens jedes Jahr rund 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften. Tendenz steigend. Landesweit gibt es mehr als 5.000 Film-Studios mit 100.000 Frauen, die vor der Kamera die sexuellen Wünsche ihrer Kunden erfüllen.
Rechtlich gesehen befindet sich die rumänische Porncam-Industrie allerdings in einer Grauzone. Es gibt nur wenige Regeln und der Staat hat keinen Überblick darüber, wie groß das Gewerbe eigentlich wirklich ist.
Strippen vor der Webcam ist für viele Osteuropäer lukrativ
Die internationale Sexcam-Branche expandierte in den letzten Jahren stark – vor allem in Osteuropa. Kein Wunder: Die erotische Arbeit vor der Kamera ist dort für viele junge Frauen mehr oder weniger die einzige echte Möglichkeit, der Armut zu entfliehen.
Rund 15 Prozent aller Rumänen sind arbeitslos. In einer Region, in der es selbst für gut ausgebildete Menschen mit Hochschulabschluss nur geringe Karrierechancen gibt, erscheint ein Einstieg ins Erotikcam-Business als lukrative Alternative.
Und auch immer mehr Männer entdecken den Berufszweig für sich. Männliche Models erfreuen sich auf erotischen Videochat-Portalen einer immer größeren Beliebtheit. In Bukarest gibt es mittlerweile sogar das einzige Studio Rumäniens, das ausschließlich mit männlichen Cam-Models arbeitet. Rund zwanzig Männer bieten rund um die Uhr und sieben Tage die Woche ihre virtuellen Services an. Besonders unter schwulen Zuschauern ist die Nachfrage hoch.