Stealthing nennt sich ein toxischer Sextrend, der klar gegen geltende Sex-Regeln verstößt. Diese Praktik ist nicht nur übergriffig und gefährlich, sondern auch strafbar. Wir verraten, was hinter Stealthing-Sex steckt, mit welchen Tricks Täter arbeiten und wie man kein Opfer davon wird.
Was ist Stealthing?
Stealthing ist eine sexuelle Praktik, bei der der Mann heimlich und ohne Einverständnis der Partnerin das Kondom beim Liebesspiel abzieht. Die Definition von „Stealthing“ stammt vom englischen Begriff „stealth“ ab, der „heimlich“ oder „unbemerkt“ bedeutet. Es handelt sich um ein äußerst problematisches Verhalten, da es das Einverständnis und die sexuelle Selbstbestimmung der Sexpartnerin verletzt.
Eine Befragung der Sexual Health Clinic in Melbourne unter 1.189 Teilnehmern ergab, dass 32 Prozent von ihnen schon mal Erfahrungen mit Stealthing gemacht haben – bei den Männern wurden 19 Prozent schon zum Opfer des besorgniserregenden Sextrends. In Deutschland gibt es keine offiziellen Zahlen. Die US-amerikanische Rechtsanwältin Andrea Brodsky war 2017 die Erste, die das Phänomen Stealthing juristisch aufgegriffen hat und es als sexuellen Missbrauch etablierte.
Die schlimmen Folgen für Opfer von Stealth-Sex
Stealthing ist nicht nur ein Verstoß gegen das Einverständnis, sondern es erhöht auch das Risiko sexuell übertragbarer Infektionen (STIs) und ungewollter Schwangerschaften. Opfer von Stealthing können sich betrogen, gedemütigt und in ihrer sexuellen Selbstbestimmung verletzt fühlen. Stealthing ist nichts anderes als eine Form sexueller Gewalt – aus einer einvernehmlichen sexuellen Handlung wird eine nicht einvernehmliche, und zwar in dem Moment, in dem der Sexpartner das Kondom heimlich entfernt. Das ist nicht nur übergriffig, sondern auch gefährlich!
Die betroffenen Frauen stehen oft unter Schock und fragen sich, ob sie etwas falsch gemacht haben. Diese Täter-Opfer-Umkehr beobachtet auch Eva Jochmann, Beraterin beim „Frauennotruf Mainz“ und bestätigt gegenüber Spiegel.de: „Viele Betroffene stellen sich die Frage: ‚Habe ich selbst etwas falsch gemacht?‘ Es braucht eine ganze Weile, um zu sagen: ‚Nein, da ist etwas falsch gelaufen und das ist in der Verantwortung des anderen.'“ Viele Opfer erstatten keine Anzeige, weil sie sich nicht ernst genommen fühlen und die Rechtsprechung bei Stealthing nicht eindeutig ist.
Ist Stealthing strafbar?
Stealth-Sex gilt als sexueller Übergriff und ist strafbar. Das entschied das OLG in Schleswig-Holstein im März 2021. Denn auch, wenn der Sex einvernehmlich ist, passiert das Abstreifen des Kondoms nicht einvernehmlich.
Das Problem: In der ersten Instanz wurde der Täter freigesprochen und erst im zweiten Schritt verurteilt. Kein Wunder also, dass viele Frauen ihre Erfahrungen nicht anzeigen. Opfer von Stealthing sollten sich bewusst sein, dass sie das Recht haben, über ihren eigenen Körper und ihre sexuelle Gesundheit zu entscheiden, und dass sie Unterstützung und Hilfe (auch anwaltliche!) suchen können, wenn sie mit dieser Situation konfrontiert sind.
Bemerken Frauen, dass sie Opfer von Stealthing geworden sind, sollten sie zum Arzt gehen und sich auf sexuell übertragbare Krankheiten untersuchen lassen und auch psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Besonders wichtig: Anzeige gegen den Täter erstatten und sich nicht entmutigen lassen.
Heimlich das Kondom abgezogen: Warum machen Männer sowas?
Wer die Grenzen seines Sexpartners überschreitet, handelt grob fahrlässig und für sexuelle Übergriffe gibt es niemals triftige Gründe. Männer, die Stealthing betreiben, tun dies meist aus folgenden Gründen:
Macht und Kontrolle: Stealthing ist ein Versuch, Macht und Kontrolle über den anderen auszuüben und ihn zu manipulieren. Diese Männer wollen die volle Kontrolle beim Sex und nur nach ihren Regeln spielen.
Fehlendes Bewusstsein: Wer die Konsequenzen und Risiken von Stealthing nicht versteht, wird nicht begreifen, warum er mit seinem Handeln seinen Sexpartner körperlich und emotional gefährdet.
Der Kick des Verbotenen: Sex ohne Gummi verspricht ein intensiveres sexuelles Empfinden und dadurch mehr Spaß. Wer den Kick des Verbotenen beim Stealthing liebt und das eigene Vergnügen priorisiert, handelt egoistisch.
Toxische Männlichkeit: In einigen Fällen könnte Stealthing mit einer problematischen Vorstellung von männlicher Dominanz zusammenhängen. Wer Männlichkeit mit Übergriffigkeit und fehlendem Konsens definiert, empfindet Stealthing nicht als problematisch.
Diese Art des Missbrauchs ist weiter verbreitet und beliebter, als man denkt! In speziellen Stealthing-Foren geben sich Männer gegenseitig Anleitungen sowie Tipps und Tricks, wie sie heimlich das Kondom beim Sex loswerden. Stealth-Sex ist außerdem eine beliebte Porno-Kategorie – nur, dass es sich hier anders als in der Realität um gefaktes Stealthing handelt.
Tipps und Tricks, um sich gegen Stealthing zu schützen
Sich vor Stealthing zu schützen ist gar nicht so einfach, wie betroffene Frauen wie Elisabeth gegenüber Vice verraten: „Ich streifte ihm eines davon über und wir schliefen miteinander. Danach wollte ich ins Bad gehen und bat ihn, mir das benutzte Kondom zu geben […].Er deutete auf Fußende des Bettes und meinte, es würde da irgendwo liegen, denn er hätte es ‚abgemacht, weil es sich für ihn nicht richtig angefühlt‘ hätte.“ Diese und andere Erfahrungen zeigen, dass Konsens und knallharte Absprachen Stealthing-Täter nicht von ihrem Vorhaben abhalten.
Ziemlich unsexy, aber am besten kontrolliert man die Kondome selbst und fühlt beim Stellungswechsel nach, ob noch alles an Ort und Stelle sitzt. Man sollte auch die Gesetze und Rechte kennen, um im Notfall schnell zu handeln. Das beste Mittel gegen Stealthing ist Vertrauen und eine offene Kommunikation. Selbst beim One-Night-Stand sollte man vor lauter Erregung auf Red Flags beim Gegenüber achten. Vor dem Sex muss klar sein, welche Verhütung man nutzt und wie lange man sie für welche Praktiken nutzen will.
Wenn man sich unsicher ist, ob das Kondom beschädigt oder entfernt wurde, sollte man aufhören und ein neues verwenden. Diese Tipps gelten auch in Beziehungen, denn Stealthing und übergriffiges Verhalten gibt es leider auch in festen Partnerschaften, beispielsweise, wenn einer einen Kinderwunsch hat und der andere nicht. Aber auch die klassische Gummi-Ausrede, dass „man nichts fühlt“ kann zum Stealthing führen. Darum ist es wichtig, dass beide Partner ihre Grenzen klar und deutlich kommunizieren und die Reißleine ziehen, wenn diese überschritten werden.